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Vikinger

Rüüdige Tage: Zwischen Schlafmangel und Glückseligkeit

Jährlich grüsst das Murmeltier: Die Vorbereitungen im Wirtshaus Taube und dem Restaurant Stern sind im Februar auf Hochtouren gelaufen. Nun heisst es wieder: Auf auf, die Stadt erobern - Fasnacht feiern. In den nächsten Tagen werden Vikinger anlegen, um ordentlich einzuheizen. Danach gibt es eine reichhaltige Tafel, gespickt mit etwas Ruhe.

Eine bunt gemischte Schar hat sich erwartungsvoll beim Fritschibrunnen auf dem Kappelplatz in Luzern versammelt. Angespanntes Warten: Drei, Zwei, Eins und tausende «Fötzeli» regnen mit einem lauten Knall vom Himmel. Trix Bühlmann's Herzschlag schnellt in die Höhe. Lange hat sie auf jenen Moment gewartet, sich akribisch darauf vorbereitet: «Die Tagwache nutze ich jeweils, um mich bewusst einzustimmen. Das erste Konzert startet um 8 Uhr morgens, dann ist es vorbei mit der Ruhe.» Ein solches dauert mindestens eine Stunde, je nach Applaus: «Wir feiern die Fasnacht auf unsere eigene Art und Weise, mit innovativer Musik und einzigartigen Rhythmen,» erklärt Bühlmann. Seit 41 Jahren spielt sie bei den Vikingern die Pauke und sorgt ausserdem für das leibliche Wohl der bis zu 70-Köpfe umfassenden Gruppe: «Zwei solide Mahlzeiten am Tag sind Pflicht, um putzmunter durch die Fasnacht zu kommen. In den Restaurants der Tavolago fühlen wir uns immer sehr willkommen.» Sich ab und an etwas Ruhe gönnen ist wichtig. Nicht selten ziehen die Vikinger bis zu 24 Stunden am Stück umher und begeistern tausende Menschen. Dann, am Aschermittwoch, werden sie noch lange in der Stadt ausharren. Bis auch die Hartnäckigsten unter ihnen, zu welchen Bühlmann seit je her zählt, einsehen müssen: Alles hat ein Ende. Zumindest für dieses Jahr.

Trix beim Bügeln
Vikinger Masken

Vorfiebern
Es ist immer dasselbe: Nach Weihnachten, sobald der Christbaum abgebaut ist, beginnt das Fieber: Trix verschanzt sich in ihrem Nähzimmer und entwirft zu lauter Fasnachtsmusik Kostüme für die ganze Familie. Bei den Vikingern gibt es weder Schnittmuster noch Vorschriften, nur das Thema ist verbindlich. «Fasnacht heisst Basteln, Nähen, Musik machen und beisammen sein», erklärt sie. «Ein Kostüm im Internet bestellen, um sich dann mit Kafi Schnaps in der Stadt abzuschiessen, das widerspricht dem Grundgedanken.» Trix steht mit ihrer Begeisterung nicht alleine da, auch Mann und Kinder machen bei den Vikingern mit. Letzteren ist die Fasnacht quasi in die Wiege gelegt worden. Bereits vor 35 Jahren schulterte die junge Mutter Pauke und Windeln, um zusammen mit Kind und Kegel in der Stadt umherzuziehen. Heute ist sie 60 Jahre alt und denkt gar nicht ans Aufhören: «Ich freue mich sehr auf die Pension. Dann werde ich mehr Zeit zum Nähen und Vorbereiten haben. Vielleicht werde ich eines Tages sogar mit meinen Enkelkindern Musik machen. Das ist ein Traum von mir.»

Trix Naehzimmer

Zu Tisch
Rhythmen hallen im winterlichen Luzern. Begeistertes Rufen. Noch ein letzter Paukenschlag und die Vikinger strömen in die heimelige Gaststube: «Wenn wir vor der Taube spielen, beziehen wir den Strom, welchen wir für das Konzert brauchen, direkt aus der Küche,» lacht Bühlmann. «Beim Stern gibt es jenen gleich um’s Eck, auch das ist praktisch.» Diese Tatsache ist aber nicht der einzige Grund, warum gerne bei der Tavolago Halt gemacht wird: «In beiden Restaurants sind wir während den letzten Jahren immer nett empfangen worden. Hier können wir für einen fairen Preis gut essen, uns ausruhen und das eine oder andere Instrument deponieren, wenn wir müde sind.» Als alteingesessene Betriebe haben beide ein inniges Verhältnis zur Luzernen Fasnacht und unterstützen gerne die Menschen, welche die «rüüdigen Tage» mit so viel Herzblut prägen. Leider ist diese Gastfreundschaft nicht selbstverständlich. Zum einen haben zahlreiche traditionelle Orte in der Altstadt geschlossen. Zum anderen ist so mancher Wirt nicht mehr bereit, «Guggen» bei sich aufzunehmen: «Früher erfuhren wir überall grosse Unterstützung, da die Fasnacht ohne Musik nicht funktioniert. Heute glauben viele mehr Geld zu verdienen, wenn sie Tische an Einzelpersonen vergeben.» Dem besorgniserregenden Gang jener Beizenkultur stellen sich die Vikinger entschieden entgegen. Und Trix steht dabei in der vordersten Reihe, denn ein Leben ohne Fasnacht kann sie sich nicht vorstellen: «Wenn wir den Rhythmus in den engen Gassen der Altstadt spielen, dann habe ich Hühnerhaut und vergiesse schon mal die eine oder andere Träne. Für mich ist das Glückseligkeit.»

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